Gelungener Auftakt zur Reihe Pflege im Wandel

Unsere Veranstaltung zum Thema „Neue Wege in der häuslichen Pflege“ war ein gelungener Auftakt.  Die Moderation wurde geführt von dem Fraktionsvorsitzen Bert Wagener. Zu Anfang der regen Diskussion gaben die beiden Vertreter der Krankenkasse Knappschaft-Bahn-See, Ronald Miga und Olav Ped, einen kurzen Einblick in den rechtlichen Rahmen der ambulanten Pflegen. Beide lobten danach das Pflegestärkungsgesetz II (PSG) und wollten diesen Schritt als ein echtes Konjunkturpaket verstanden wissen. Denn das Gesetz macht ihrer Auffassung nach weitere Anspruchsberechtigte und mindestens gleichbleibende Leistungen mit jährlich fünf Milliarden Euro zusätzlich möglich. Darüber hinaus sahen beide Krankenkassen-Vertreter es als positiv an, dass es mit dem Pflegestärkungsgesetz zu einer längst überflüssigen Gleichbehandlung  der an Demenz erkrankten mit körperlich gehandicapten Menschen gekommen ist.

Die Vertreterin des Netzwerks Gesundheitswirtschaft Münsterland e.V., Frau Ramona Riemann, berichtete anschließend von der Einführung des Modellprojekts zur Umsetzung des niederländischen Buurtzorg Modells in Deutschland. Diese neue Organisationsform nimmt nach Aussage von Frau Riemann nach und nach Gestalt an. Die teilnehmenden Pflegedienste im Münsterland ließen sich zum einen dabei vom Ursprung der ambulanten Pflege leiten, nämlich der Arbeit der Gemeindeschwestern und sie warfen auch einen Blick über die Grenzen zu den niederländischen Nachbarn, die seit einigen Jahren positive Erfahrungen mit ihrem Konzept „Buurtzorg“ machen. Das neue Konzept adressiert ein neues Pflegemodell. „Das bedeutet insgesamt mehr Eigenverantwortung für die Pflegekräfte“, so Frau Riemann. Das System rechnet nicht wie bisher in Deutschland nach Aufgaben ab, die die Pflegekräfte  übernehmen, sondern nach Zeit. Das Projekt ist am 01.01.2020 gestartet und hat zunächst eine Laufzeit von 36 Monaten.

Der Grüne Landtagsabgeordneter und  Sprecher für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Kommunalpolitik, Mehrdad Mostafizadeh,  sprach über die Herausforderung der Zukunft für den Pflegebereich und machte deutlich, dass die Personalknappheit auch weiterhin  die große Herausforderung bleiben wird. Ziel sollte es seiner Ansicht nach sein, durch eine vernünftige Stadtentwicklung den Menschen ein möglichst eigenständiges Leben zu ermöglichen und die Selbstfürsorge damit zu fördern.  Das würde letztlich bedeuten, dass  die Pflegekräfte nur jene Aufgaben übernehmen, die die Patienten  tatsächlich alleine oder mit Hilfe von Familienmitgliedern, Nachbarn oder Ehrenamtlichen nicht mehr schaffen. „Dann würde auch mehr Zeit für Gespräche bleiben“, so der Grüne Landtagsabgeordneter.

Letztlich waren sich am Ende alle einig, dass die zukünftige Ausrichtung und nachhaltige Sicherung der häuslichen Pflege und Betreuung von elementarer Bedeutung für die Gesellschaft im demografischen Wandel ist. „Wir müssen aufzeigen“, so der Appell von Mehrdad Mostafizadeh, „ wie vielfältig die Leistungen der ambulanten Pflege ist,  aber auch die bestehenden Probleme etwa bezüglich der Personalsituation klar und deutlich benennen.“ Das Fazit dieser Auftaktveranstaltung: Wir brauchen eine verbindliche Pflegeplanung in den Kommunen und müssen Pflegekräfte flexibler einsetzen und vor allen besser entlohnen.

Die Veranstaltung war ein gelungener Auftakt unserer Reihe zum Thema Pflege. Als nächstes wollen uns das Konzept des Kreises Recklinghausen anschauen, dass bisher in dem Rahmen bleibt, den die deutsche Pflegeversicherung vorgibt. Wir freuen uns auf die Folgeveranstaltung, und dann wieder von Angesicht zu Angesicht.

Kreistagsfraktion plant Veranstaltung zum Thema: Neue Wege in der häuslichen Pflege

Corona hat die Defizite in der Pflege offengelegt. Die pflegenden Angehörigen wurden übersehen. Der Gesundheitsminister ignorierte, dass für Millionen von sorgenden und pflegenden Angehörigen durch Corona viele Hilfen weggebrochen sind, dass Mundschutz, Desinfektionsmittel, Handschuhe ausgegangen sind und dass die Angehörigen unglaubliche Ängste um die Pflegebedürftigen ausstehen, die ja zur Hochrisikogruppe gehören. Dazu kommt die extreme Isolation, dass sich keiner mehr kümmert. Das Corona-Virus hat dazu geführt, dass in Zehntausenden Pflegehaushalten in Deutschland, die Infrastruktur weggebrochen ist. Wie organisiert man Dienstleistungen, die Körpernähe erfordern, in einer Zeit, wenn gerade diese Nähe tödlich für die Schwerkranken sein kann? Vor Corona gab es immer Helfer*innen. Zweimal in der Woche kam z.B. der Physiotherapeut ins Haus, der Ergotherapeut erschien ebenfalls, einmal wöchentlich klingelte der Fahrdienste und transportierte Pflegende im Rollstuhl in die Tagespflege. Ebenso schaute eine Person des Betreuungsdienst für hauswirtschaftliche Hilfen regelmäßig zu Hause vorbei. Doch jetzt ist die Tagespflege wegen Corona geschlossen und die allermeisten Dienstleister kommen nicht mehr ins Haus. Die Pflegenden Angehörigen werden übersehen. Manche Pflegehaushalte haben Leistungen der Sozialstation gekündigt, die nicht überlebensnotwendig sind, etwa Hilfe beim Baden, im Haushalt.

Das Thema Pflege ist und wichtig. Wir wollen das Thema „Neue Wege in der Pflege“ darum in einer Reihe von Veranstaltungen behandeln und in einer ersten Veranstaltung die häusliche Pflege im Kreis mit Experten diskutieren und Fragen nach der aktuellen Situation im Kreis ist nachgehen wie sie sich voraussichtlich entwickeln wird. Darüber hinaus wollen wir mit den Experten diskutieren, welche Alternativen es zum derzeitigen Pflegesystem in Deutschland gibt und wie wir ambulante und komplementäre Dienste im Kreis Recklinghausen unterstützen können.

Zahlen zur Pflege:

Die Bedürftigen: In Deutschland gibt es 3,4 Millionen pflegebedürftige Menschen, so das statistische Bundesamt im Jahr 2018 (Pflegestatistik) Pflege daheim: 2,59 Millionen dieser Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt. Davon wurden 1,74 Millionen allein durch Angehörige gepflegt, manchmal mit Unterstützung von osteuropäischen privat finanzierten Pflegekräften. 830.000 Pflegebedürftige wurden zu Hause mithilfe oder vollständig von ambulanten Pflegediensten versorgt, deren Leistungen über die Pflegeversicherung abgerechnet werden. Es gibt 14.100 ambulante Pflegedienste.